Nachdem wir unser Hab und Gut wieder in der Büchse verstaut hatten hieß es Abschied nehmen. Und so erholsam es auch war. Ich hatte genug in diversen Saunen geschwitzt und war bereit mich wieder dem nasskalten Wetter zu stellen.
Über eine gut befahrbare Schotterpiste ging es nach Lettland. Wir machten dann bei tatsächlich nasskaltem ekligen Wetter eine kleine Wanderung zu den Sandsteinfelsen am Fluss Gauja.
Als wir den Parkplatz verließen war plötzlich ein Baum auf der einzigen Zufahrtsstraße gelandet. Den hatte wohl der Wind umgeweht. Umfahren war nicht möglich und mit unserer kleinen Handsäge könnten wir unmöglich den dicken Baumstamm zerteilen. Also prüften wir alle vorhanden Karten und fanden sogar einen schmal eingezeichneten Pfad. Er war zunächst etwas zugewachsen, so dass der Einstieg nicht leicht zu finden war. Aber laut all unserer Informationen sollte er direkt zur Straße führen. Also trauten wir uns hinein. Haben ja schließlich ein Offroad fähiges Gefährt. Wir mussten ein wenig manövrieren und der Untergrund war teilweise eher rutschig schlammig. Aber wir kamen gut voran. Und landeten, als der Bewuchs sich lichtete auf der Rückwärtigen Seite eines Gehöftes. Da wir ungern über fremder Leute Grundstück fahren diskutierten wir kurz, ob wir umkehren sollten. Aber die Aussicht den unschönen Weg wieder zurück zu fahren und dann immer noch hinter dem Baum stehen bleiben zu müssen war ja auch nicht verlocken. So tasteten wir uns langsam vorwärts. Plötzlich schoss ein sehr aggressiv bellender Wachhund auf unser Auto zu. Wir hielten kurz, um zu schauen, ob Bewohner herauskämen, dem wir die Situation schildern könnten. Es kam jedoch niemand und unser Mut reichte nicht aus auszusteigen und dem sehr bösartig bellenden Hund näher zu begegnen. Also fuhren wir ganz langsam weiter über die Auffahrt zur Hauptstraße und mussten immer wieder darauf achten den Wachhund nicht versehentlich zu überfahren. Der war verständlicherweise etwas aufgedreht, konnte dann aber schließlich für sich verbuchen, dass er uns erfolgreich vertrieben hat.
Wir konnten unsere Fahrt dann über die normalen Straßen fortführen. Der Sturm hielt an und so suchten wir uns für die Nacht ein relativ windgeschütztes Plätzchen an einem See. Dieser war aber wohl bei den örtlichen Jugendlichen Autoposern bekannt und so fuhren dort bis spät in die Nacht diverse Poser umher, die nach gemeisterter holpriger Zufahrt an dem Parkplatz Kreise drehten und wieder verschwanden. Wir fühlten uns zwar nicht unsicher oder bedroht, waren jedoch etwas genervt von den Fernlichtern, der lauten Musik und dem Motorengeheul, wenn mal wieder auf dem weichen Untergrund die Reifen durchdrehen durften.
Wir sind am nächsten über ein paar kleinere Straßen bis nach Cesik gefahren. Bei Temperaturen von 2 Grad haben wir einen kleinen Stadtrundgang gemacht. Danach wurde es bei dem eisigen Wind zu kalt und ungemütlich, so dass wir die alte Inselburg Araisi besuchten. Die befestige Inselsiedlung war quasi eine Art Freilichtmuseum und so hatten wir die Gelegenheit ein wenig Historie und Kultur zu erleben.
Weiter ging es im Programm mit alten Felsenwohnungen und einer per Wasserströmung betriebenen Fähre bei Ligatne. Diese war in Betrieb und als wir dort waren, konnten wir beobachten wie ein Fahrzeug zum anderen Ufer geschifft wurde. Irre, dass diese alte Technik noch genutzt wird. Aber ist halt auch effektiv und unabhängig von Strom etc. – also immer verfügbar, sofern der Fluss Wasser führt.
Aufgrund des anhaltenden Sturmes und der Gefahr von Windbruch dauerte es etwas länger, bis wir uns auf einen Stellplatz für die Nacht einigen konnten. Dann verbrachten wir aber eine einsame und ruhige Zeit dort.
Für diesen Tag hatten wir uns wieder etwas Kultur herausgesucht. Wir wollten die Guttmann Höhlen besuchen. Da das Wetter wieder sehr regnerisch und kalt war, wurde aus der geplanten weiteren Wanderung jedoch nur ein kurzer Spaziergang. Wir wollten dann über eine Treppe den Hügel hinauf, mussten wegen des maroden Zustandes jedoch nach einigen Höhenmetern umkehren. Mit Hund auf dem Arm, morschen Geländern, wackelnden oder gänzlich fehlenden Brettern war das einfach nicht machbar.
Um dem Wetter zu entfliehen fuhren wir Richtung Ostseeküste. Dort besuchten wir zunächst die Weiße Düne und fuhren dann weiter bis Riga. Nachdem wir uns einmal quer durch den Berufsverkehr mit den nervigen Straßenbahnen gequält hatten, kamen wir auf einen Platz bei einem Camping und Yachtclub unter. Da wir erschöpft vom Tag waren und keine Lust mehr auf Kochen hatten, bestellten wir kurzerhand eine Pizza beim Lieferdienst. Man muss halt auch mal dekadent sein. Anja hat zwar mehrfach über die App geflucht aber letztlich kam das bestellte Essen dann pünktlich am Tor des Platzes an.
Die Nacht war sehr stürmisch und am nächsten Morgen hatten wir direkt ein wenig Hochwasser. Wo vorher noch eine Steinmole zu sehen war, gab es nun nur aufgepeitschte Wellen. Wir standen aber noch etwas weiter erhöht, so dass wir uns keine Sorgen machen mussten. Für uns ging es dann ohne Jule zu einer „Freetour“, um die Landeshauptstadt etwas näher kennenlernen zu können. Dabei nutzten wir für die Anreise e-Scooter. Das erste mal, dass wir solche Dinger benutzt haben. Und dann direkt mit Großstadtverkehr. Aber das hat uns riesig Spaß gemacht und war ganz unkompliziert per App zu buchen. Leider war die nächste Abstellzone ein paar Hundert Meter von dem Stellplatz entfernt. Aber wir sind ja auch gut zu Fuß.
Die Freetour war dann wieder sehr informativ und interessant. Wir haben natürlich noch etliche Tipps für weitere Besichtigungen erhalten und es gab auch die ein oder andere Ecke, die wir auch noch einmal auf eigene Faust erkunden wollten. Also buchten wir noch eine weitere Nacht auf dem Platz, um dies alles am Folgetag nachholen zu können.
So hatten wir dann auch wieder einen guten Grund am nächsten Tag wieder mit den kleinen Scootern umher zu flitzen. Wir bestaunten eine prunkvolle orthodoxe Kirche, das Art Nouveau Viertel mit den fantastischen Fassaden und folgten noch einem Stadtrundgang aus einem Reiseführer.
Nach so viel Kunst und Kultur wollten wir natürlich auch mal wieder mehr Natur sehen. Also fuhren wir am Folgetag zum Kap Kolka, wo wir kurz mit Jule am Strand umhertollen konnten, bevor auch schon die Nacht hereinbrach.
Am nächsten Morgen packten wir alles abfahrbereit zusammen und gingen dann noch auf eine kurze Wanderung zum Kap Kolka, wo der böige Wind dafür sorgte, dass man sehr gut den Treffpunkt der „zwei Meere“ (offene Ostsee und Rigaer Bucht) erkennen konnte. Die Ostsee mit hohen Wellen und die Rigaer Bucht, die fast spiegelglatt vor uns lag.
Dank Nachsaison war auch hier alles menschenleer und Jule durfte den Strand an langer Leine genießen.
Wir fuhren dann über holprige Straßen und vorbei an verlassenen alten Sowjet Baracken zu den größten Radioteleskopen Nordeuropas. Das war schon ein irrer Anblick.
Unsere Mittagsrast hatten wir dann an dem ältesten Leuchtturm Lettlands. Der war natürlich schon renoviert, aber trotzdem noch sehenswert. In der Ortschaft Ventspils erledigten wir noch Einkäufe und gönnten uns leckere frische Churros in einem Cafe. Zur Kaffeezeit darf es halt auch mal Teilchen geben. Gut genährt suchten wir dann einen Stellplatz im Wald auf.
Unser Reiseführer hatte eine weitere Wanderung am Strand angezeigt, so dass wir dies direkt am Morgen vollzogen. Es sollte vormittags noch trocken bleiben. Nachdem wir die Bewegung genossen hatten, ging es zu befestigten alten Artilleriestellungen bei Liepaja. Unglaublich, welche Massen an Beton und Stahl hier verbaut wurden.
In Liepaja machten wir rasch noch einen Abstecher zu einer weiteren orthodoxen Kirche, die einen dank der schieren Größe schon ehrfürchtig staunen ließ. Die alten U-Boot Bunker, waren für uns dann leider nicht zugänglich, so dass wir weiter gezogen sind. Und schon waren wir in Litauen.
Hier war die Stellplatzsuche etwas schwierig, so dass wir letztlich auf einem Parkplatz neben einer wenig befahrenen kleinen Straße unter kamen.
Am nächsten Morgen ging es direkt auf die kurische Nehrung. Die Fahrt mit der Fähre war unkompliziert und auch die Maut für die Straße der kurischen Nehrung war rasch beglichen. Zunächst ging es zu dem Hexenhügel. Hier konnte man auf einem Skulpturenpfad etliche toll geschnitzte Kunstwerke mit geschichtlichem und mythischen Hintergrund bewundern. Schon beeindruckend, was einige Künstler aus alten Bäumen so alles herstellen können.
Wir fuhren anschließend noch zur großen Düne an der russischen Grenze. Tatsächlich war hier trotz Nebensaison recht viel los. Insgesamt war die kurische Nehrung gut besucht und einige Autofahrer hatten es trotz schlechter Straßenverhältnisse (wofür wird wohl die Maut genutzt?) extrem eilig. Wir wollten uns dann noch etwas Ruhe gönnen und kehrten beim Sportboothafen am Stellplatz ein. Dort konnten wir mal wieder unser Wasser auffüllen, duschen und sogar Wäsche waschen.
Die Fährfahrt zurück aufs Festland verpassten wir am nächsten morgen ganz knapp. Da jedoch ein 20 Minuten Takt herrschte, war die Wartezeit erträglich. Bei 1 Grad und kaltem Wind gingen wir in Klaipeda kurz in die Altstadt. Nachdem wir durchgefroren waren fuhren wir im gut beheizten Wagen zu einem Museum des kalten Krieges bei einer alten Atomwaffen Raketenbasis der Sowjets. Wir erfuhren viel über den kalten Krieg, das Wettrüsten, der Entwicklung der Raketentechnik und die Kuba Krise. Das Ganze in den unterirdischen Anlagen, wo wir dann auch bis zu einem Raketensilo gelangten. Es war so bedrückend dort unten. Selbst Jule (die ganz offiziell mit hinein durfte) schlich nur furchtsam durch die Gänge. Es war eine ganz komische Stimmung, und so waren wir alle froh, als wir zurück im Tageslicht waren. Anschließend suchten wir nur noch unser Nachtlager auf.
Das heutige Ziel war der Berg der Kreuze. Es war noch immer bitter kalt und windig. Jule hatte das Glück, dass sie nicht mit zu den Kreuzen durfte. So konnte sie im Warmen warten, bis wir uns die unzähligen verschiedenen Kreuze näher angesehen hatten. Aus aller Herren Länder und mit gänzlich unterschiedlichem Aufwand gestaltete Kreuze waren hier zum Teil Wort wörtlich „aufgehäuft“ worden.
Frisch geläutert fuhren wir dann nach Kaunas, wo wir nach einem kurzen Rundgang zum Essen in ein interessant aussehendes Restaurant einkehrten. Das Essen war so gut und preiswert wie erhofft. Anschließend quetschten wir uns durch den Berufsverkehr und die mehrspurigen Kreisverkehre.
Aufgrund der Wetterlage und der erneut aufkommenden Reisemüdigkeit beschlossen wir dann den Weg nach Polen zu nehmen., wo wir auf einem Wanderparkplatz eine ruhige Nacht verbrachten.
Morgens schoben wir noch eine kleine Wanderung ein, bevor es bis kurz hinter Lodz zu einer letzten Übernachtung ging.
In dichtem Nebel fuhren wir weiter gen Heimat. An der Grenze zu Deutschland erwarteten uns dann noch einmal lange LKW Staus, die sich natürlich auf alle Fahrspuren auswirkten. Der typische Verkehr um Hamburg herum tat dann sein übriges, dass wir froh waren nachmittags wieder daheim sein und die Füße hochlegen zu können.
Es war eine sehr schöne und abwechslungsreiche Reise. Wir haben viel ausgelassen und wissen nun aber auch, wo wir gezielt noch einmal (bei besserem Wetter) hinfahren wollen. Wir haben keinen der 14.600 km bereut und sind sehr froh und dankbar, dass wir das praktisch pannenfrei und gesund erleben durften.
Und natürlich freuen wir uns neben kleineren Ausfahrten auch auf die nächste größere Reise in 2025!













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